Mathias Tönz: «Für Neues bin ich immer zu haben»
Mathias Tönz (24) freut sich: Auf den 1. Januar 2021 ist er der Betriebsleiter auf dem Hof Padanatsch in Vals (GR). «Auch mein Vater ist froh, dass er mit der Hofübergabe Verantwortung abgeben kann», sagt der Junglandwirt. Respekt hat er schon, obgleich der Betrieb gut aufgestellt und auch Mathias bestens gerüstet ist. Im Erstberuf lernte er Maurer. «Aber je weiter die Lehre fortschritt, desto klarer wurde mir, dass Landwirt mein Beruf ist», erzählt er. Es folgten Lehrjahre auf verschiedenen Betrieben. Dann war der Junglandwirt als Lastwagenchauffeur, Schneeräumer, Busfahrer, Betriebshelfer unterwegs. Zurzeit absolviert er die Betriebsleiterschule.
«Ursprünglich wollte ich auf Silvester hin ein Riesenfest machen, aber jetzt mit Corona wird es beim gegenseitigen Zuprosten bleiben», sagt er. Vieles auf dem Betrieb ist aufgegleist. Zum einen ist das die Mutterkuhhaltung. Das Fleisch wird in Rueun oder in Vrin geschlachtet und zurück auf dem Hof direkt vermarktet.
Zum anderen halten Tönz’ 200 Pommerenten. Grösster Abnehmer ist das Gourmetrestaurant 7132 Silver, das 2020 zwei Michelin-Sterne ergattern konnte und knapp 1 km vom Hof entfernt ist. Seit diesem Jahr tummeln sich zudem drei Turopolje-Schweine auf dem Betrieb. Das ist eine robuste Schweinerasse, die ursprünglich aus Kroatien stammt und sich für extensive Weidehaltung eignet. «Wichtig für die Vermarktung ist, dass die Tiere gut gehalten werden und aus der Region stammen», sagt Mathias. Verkaufsargument bei pflanzlichen Produkten sei hingegen die Betriebsrichtung Bio. Diesbezüglich sind die ersten Pflöcke bereits eingeschlagen. Küchenchef Mitja Birlo händigte ihm eine Liste von Gemüsesorten aus, die das Silver gerne bei ihm beziehen würde. «Beispielsweise Kartoffeln, Zwiebeln, Knoblauch, Rüebli – Alpengemüse, das auf 1250 m ü. M. gedeiht. Ein erstes Testfeld haben wir im Sommer 2020 angelegt, und ich denke, dass das Silver mit uns rechnen kann», ergänzt Mathias. Der Plan für 2021 steht also.
Der junge Betriebsleiter hat sich viel vorgenommen. Wichtig ist ihm, im ersten Halbjahr liquide zu bleiben, was für junge Hofübernehmer nicht ganz ohne ist. Dann will er den am Wohnhaus angebauten, nicht mehr genutzten Stallteil zu einem Stöckli für die Eltern umbauen. Aber die grösste Herausforderung sei der Wolf. Die Weisung des Kantons Graubünden ist klar: Mutterkühe gehören fürs Abkalben nicht auf die Alp, sondern zurück auf den Heimbetrieb in den Stall. «Bisher hatten wir keine Probleme mit dem Abkalben auf der Alp. Aber wir werden die trächtigen Kühe eine Woche vor dem Abkalbungstermin zurück auf den Betrieb holen müssen, was jeweils einen halben Tag Arbeit bedeutet. Bereits haben wir umdisponiert. So wird der Zuchtstier 2021 erst Ende Februar seinen Einsatz in der Herde haben, sodass die Kühe erst im November abkalben», sagt Mathias.
Damit sei das Problem Wolf aber nicht gelöst, denn nur 5 km vom Dorf entfernt ist ein Wolf gesichtet worden. Tönz Stall ist tiergerecht, das heisst offen und gut durchlüftet – also für einen hungrigen Wolf sicher kein Hindernis. «Wir haben uns schon überlegt, rund um den Stall einen Zaun zu errichten.» Also – langweilig wird es dem Hofübernehmer 2021 sicher nicht.
Fabienne Morand: «Ich bin mein eigener Chef»
Fabienne Morand (36) aus Saint-Prex (VD) liess sich Zeit mit der Hofübernahme. Sie hat einen Master of Arts in Humangeografie und zudem einen Abschluss als Journalistin. Mehrere Jahre arbeitete sie in der Medienbranche und schrieb für Zeitungen und Zeitschriften. «Aber ich vermisste die Arbeit mit den Händen, den Bezug zur Natur und zu den Tieren», erzählt sie. Hinzu kamen der Druck und der Jobabbau in der Medienlandschaft. Von immer mehr Kollegen musste sie sich verabschieden, aber die Arbeit blieb gleich – einfach auf weniger Köpfe verteilt. «Ich war mir klar, dass ich etwas ändern musste, sonst wäre ich krank geworden», beschreibt sie diese Jahre. Sie setzte sich 2015 mit ihren Eltern zusammen und unterbreitete ihnen einen Plan: Zuerst wolle sie auf dem Hof mitarbeiten und sich anschliessend entscheiden, ob sie den Betrieb übernehmen werde. Gesagt, getan. So begann sie ab Januar 2016 als Angestellte ihres Vaters Alain. Der 37-ha-Betrieb umfasst Acker- und Futterbau, gab anfangs 2019 die Milchwirtschaft auf und kauft stattdessen Milchkühe zum Ausmästen. Als Altersheim für alte Pensionspferde stehen vier Boxen zur Verfügung. Dazu kommt eine Menge Kleinvieh wie vier Pony, zwei Schweine, zwei Zwergziegen, drei Kaninchen, zwei Meerschweinchen, ein Hahn, zehn Hühner, zwei Enten, zwei Truthähne und ein Hund.
Mit ihrer Mutter Therese baute Fabienne die Schule auf dem Bauernhof auf. «Im Frühjahr während des Lockdowns lief nichts. Aber seit dem Herbst haben wir von Montag bis Freitag täglich Gruppen auf dem Hof, von Kindergärtnern, Primarschülern bis hin zu Sonderklassen», erzählt sie. Das mache ihr Spass und sei ein netter Zustupf zum Einkommen.
Nach neun Monaten auf dem Betrieb bereiste Fabienne im September 2016 Nordamerika. Dabei reifte ihr Entschluss, den Betrieb zu übernehmen. Ihre zwei jüngeren Schwestern hätten dazu keine Lust gehabt.
Unbedarft ist Fabienne nicht, was die Arbeit in der Landwirtschaft angeht. Zum einen verfügt sie, auf dem Hof aufgewachsen, über die Landwirtschafts-DNA, zum anderen die landwirtschaftliche Ausbildung. «Für das eidgenössische Fähigkeitszeugnis EFZ brauche ich drei Jahre Berufspraxis auf einem Landwirtschaftsbetrieb mit einem 100-%-Pensum. Da ich aber nur 60 % auf dem Hof arbeitete, machte ich als Erstes den Nebenerwerbskurs», erzählt Fabienne. Nun aber wird der EFZ-Abschluss anvisiert, ebenso wie die Meisterprüfung.
Fabienne gefällt, dass sie ab 1. Januar 2021 auf dem Betrieb die Chefin ist. «Mit meinen Eltern verstehe ich mich gut. Sie unterstützen mich. Wir haben drei Wohnungen auf dem Betrieb. Ich wohne mit meinem Freund Julien an einem Ende mit einem separaten Eingang, meine Eltern am anderen Ende. Zudem vermieten wir ein Studio», sagt sie.
Herausfordernd werde 2021 nicht in erster Linie für sie, sondern für ihren Vater, schätzt die Hofübernehmerin: «Ich bin gespannt, wie er seinen Weg in die Pensionierung findet. 50 Jahre hat er den Karren gezogen, nun muss er nicht mehr jeden Morgen Punkt sechs im Stall sein. Und ich bestimme, wo es langgeht». «Wird er seine Freiräume nutzen können?», fragt sich Fabienne.
Sie will nicht eingleisig fahren und weiter schreiben. Regelmässig übernimmt sie als freiberufliche Journalistin Aufträge. «Das lässt sich gut mit der Arbeit auf dem Hof kombinieren, und ich lerne andere Leute kennen», fasst sie zusammen.
Christian Brun: «Ich freue mich rüüdig»
Christian Brun (28) hebt ab und freut sich «rüüdig», wie die Luzerner sagen, auf die Hofübernahme. Der Biobetrieb ist in Schuss, betreibt Mutterkuhhaltung und pflegt Wiesen und Weiden sorgfältig. «Biodiversität und Artenvielfalt sind uns wichtig – und das nicht nur wegen der Direktzahlungen», sagt er. Aber selbstverständlich sei der Teil öffentliche Gelder gerade fürs Berggebiet äusserst wichtig. Die Hofübernahme sei unkompliziert verlaufen, seine Schwester und sein Bruder hätten sich beruflich anders orientiert und seien erfolgreich unterwegs. Er habe schon von klein auf mitgearbeitet. Vorbild ist ihm sein Vater Roman. «Er ist sozusagen mein bester Kollege und ist sehr fortschrittlich. Er stieg schon früh auf Bio und Mutterkuhhaltung um und macht beim Vernetzungsprojekt mit.»
Der Jungbauer und seine Frau Veronika haben etliche Alpsommer hinter sich. 2016 begannen sie, auch die betriebseigenen Mutterkühe zu alpen. 2021 gibt es einen Jobwechsel: Dann gehen Vater Roman und Mutter Ruth im Sommer auf die Alp, und Christian managt den Heimbetrieb. Veronika hilft am Wochenende, arbeitet aber vollzeitlich als Lehrerin.
2021 steht nicht nur die Hofübergabe an, der Jobwechsel von der Alp zum Heimbetrieb, sondern auch die Meisterprüfung. Die Betriebsleiterschule absolvierte Christian im vergangenen Winter mit der Betriebsstudie, wo er sich mit der Betriebsbuchhaltung auseinandersetzte. Für die Abschlussarbeit rechnet er nun verschiedene Varianten, wie sich sein zukünftiger Betrieb weiterentwickeln kann.
Im Dreifamilienhaus wohnen die Eltern oben, der Junior unten, die mittlere Wohnung ist fremdvermietet. «Die Eltern wohnen unentgeltlich. Etwas anderes wäre für mich nicht infrage gekommen, denn sie waren immer äusserst grosszügig, und wir haben es sehr gut miteinander», sagt Christian. Ihm ist bewusst, dass das nicht selbstverständlich ist, weiss er doch, dass seine Kollegen oft mit Generationenkonflikten zu kämpfen haben.
Cédric Andres: «Alle können nicht auf Bio umstellen»
Seit einem Jahr ist Cédric Andres zurück auf dem Hof und arbeitet mit seinem Vater zusammen. «Es funktioniert gut. Mein Vater ist offen für Neues. Klar diskutieren wir manchmal und sind nicht der gleichen Meinung – was Politik, speziell Agrarpolitik und so angeht. Aber er und meine Mutter unterstützen mich vollumfänglich», sagt Cédric. Auch mit seinen älteren Geschwistern, Julien (Landschaftsarchitekt) und Laura (Tiefbauingenieurin), versteht er sich sehr gut.
Cédric absolvierte als Baumaschinenmechaniker auch eine ausserlandwirtschaftliche Lehre. Nach Lehrabschluss arbeitete er vier Jahre auf dem Beruf. Danach begann er mit der Landwirtschaftslehre. 2021 wird er seine Ausbildung als Meisterlandwirt abschliessen. Der aufgeweckte 27-jährige Hofübernehmer ist enerviert über den agrarpolitischen Kurs Richtung Extensivierung. «Immer mehr Vorschriften, immer mehr Ökologie, immer weniger Pflanzenschutzmittel, die zur Verfügung stehen – alle können nicht Bio machen», bringt er es auf den Punkt und verweist auf seine Region. Die Broye ist quasi die Kornkammer der Schweiz. Andres’ bauen denn auch Weizen, Triticale und Gerste an. Daneben auch Mais und Zuckerrüben – gerade bei den Zuckerrüben war die fehlende Saatgutbeizung mit dem Auftreten der Virösen Vergilbung verheerend für die Westschweizer Produzenten. «Unser Hauptbetriebszweig ist aber der Tabak, und diese Kultur kann man nicht biologisch anbauen», ergänzt er.
Für die kommenden Jahre hat er sich viel vorgenommen. Als Erstes gelte es, die Wohnsituation zu verbessern und die Zweitwohnung auf dem Betrieb auszubauen, die er dann mit seiner Freundin beziehen will.
Dann plant er einen Legehennenstall für 12 000 Plätze. Das Bewilligungsverfahren ist herausfordernd. Es braucht ein Gutachten über die Umweltverträglichkeit, das Einplanen von Abluftreinigungsanlagen und vieles mehr – und selbst dann sei man nicht sicher, ob es keine Einsprachen geben werde. Aber zuerst mal freut sich Cédric auf die Übergabe auf 1. Januar 2021 und das gemeinsame Essen im vertrauten Familienkreis.
Jannik Richener: «Das erste Jahr wird fordernd»
Respekt! Jannik Richener (30 Jahre) und seine Frau Jasmin übernehmen ausserfamiliär den Bergbauernhof Stigimaad in Weissenburg (BE) im Simmental – und zwar als Pachtbetrieb. «Ein Traum geht in Erfüllung», sagen die beiden mit den fünf Kindern. Der Countdown ist angezählt: Auf ihrer Website rechnet ein Timer die verbleibenden Tage bis zum 1. Januar herunter. Warum? Weil die Familie sich etwas Besonderes zur Finanzierung der Hofübernahme ausgedacht hat. Mit einem Crowdfunding möchte sie den Kauf des Inventars mitfinanzieren. Bisher sind dadurch rund 10 000 CHF zusammengekommen.
Zur Geschichte
Jannik und Jasmin Richener arbeiteten bisher in der Kinderbetreuung. Jannik als Erzieher, Jasmin als Behindertenbetreuerin. Beide hatten bis zu ihrem Entscheid kaum Berührungspunkte mit der Landwirtschaftsbranche. Das Bedürfnis nach einem Beruf, mit dem sie eigenhändig für sich und nachfolgende Generationen etwas Wertschaffendes aufbauen können, wuchs mit den Jahren immer mehr. Und somit das Interesse an der Landwirtschaft.
Vor fünf Jahren begannen sie mit der aktiven Suche nach einem Betrieb. Durch Gratisinserate wurden fünf Höfe auf sie aufmerksam, die sie im Jahre 2019 besichtigten. Die Bedingungen für die Richeners waren: im Berggebiet, Milchwirtschaft, am liebsten mit Kühen und Geissen, und den Hof ressourcenorientiert führen.
Während der gesamten Zeit stieg Jannik immer tiefer in die Agrarmaterie ein: «Von 2015 bis 2017 habe ich mit Aushilfen auf Höfen meine ersten praktischen Erfahrungen gesammelt. Im August 2017 entschied ich mich für die Nachholbildung mit einem Pensum von 50 %. Nebenbei arbeitete ich zu 60 % als Gruppenleiter in der Tagesstätte. Während meiner Ausbildung war ich vier Sommer z’Alp und ab Dezember 2018 dann zu 100 % in der Landwirtschaft tätig.»
Ein echter Spagat für die Familie sowohl vom Zeitmanagement als auch finanziell. Doch die Begeisterung liess nicht nach, im Gegenteil. Das Ziel verlor die Familie nie aus den Augen. Der Wille und die Leidenschaft gaben ihr Zuversicht und Kraft.
Nach der Besichtigung der fünf Höfe, von denen keiner so richtig passte, trat dann zum ersten Mal ein Gefühl der Ernüchterung ein. Jannik und seine Frau beschlossen jetzt, erst mal eine Pause einzulegen. Gerade entschieden, klingelte just an diesem Tag Bergbauer Jakob Abbühl bei den Richeners an. Jannik spürte sofort: Das ist unser Hof.
Seit August arbeitet Jannik Richener als Angestellter mit einem Pensum von 50 % auf dem Betrieb. Zuvor half er, wenn es die Zeit zuliess. Aktuell besucht er die Betriebsleiterschule. An den Umstellerkurs für Biobetriebe kann er auch einen Haken setzen.
Jannik lernt das Hofleben und die Abläufe der Verpächter intensiv kennen und kann sich so in das Umfeld und die Gegebenheiten bestens integrieren. «Wir haben es mit den Verpächtern gut und pflegen eine sehr gute Gesprächskultur.» Für unterschiedliche Auffassungen finden Jung- und Altbauer diplomatische Lösungen. Anfang Dezember ist die siebenköpfige Familie in die frisch renovierte Betriebsleiterwohnung gezügelt.
Finanzierung und Ziele
Berater Paul Indermühle von Agroinfo unterstützt die Familie während des gesamten Übernahmeprozesses bei allen Anträgen und Kalkulationsrechnungen.
Angefragt für eine finanzielle Hilfe hat Jannik Richener auch bei der Berghilfe. Antwort: negativ. Sie unterstützt beim Kauf eines Hofes, nicht aber beim Kauf des Inventars. Das enttäuschte den Quereinsteiger. Eine alternative Bank unterstützt das Vorhaben. Hinzu komme der Erlös des Crowdfundings. Zudem will der Übernehmer mit einem 40-%-Pensum noch ausserhalb des Hofes arbeiten. Die Verpächter pachten die Alp und sömmern die Tiere weiterhin. Die Ziele für das kommende Jahr sind:
- Steigerung der Milchleistung von 4 500 auf 5 000 kg je Kuh
- Die Direktvermarktung vor allem von Bioalpkäse wird ausgebaut.
- Für die Ziegen wird ein Laufstall realisiert.
Zum Schluss die Frage, wovor sie den meisten Respekt haben? Jasmin sagt: «Vor dem Heuen.» Jannik sagt: «Das erste Jahr wird fordernd, aber es kommt gut.» Ein Fest soll es im Sommer geben.