Ist die Weidezeit vorbei, so stellen sich jedes Jahr viele Pferdebesitzer die Frage, ob Heu auch durch Heulage als Grundfutter ersetzt werden kann. Traditionell wird Heu in der Pferdefütterung als Grobfutter eingesetzt, aber aufgrund von Engpässen in der Futterlagerung im Stall, aber auch vielfach bei Pferden mit chronischen Atemwegserkrankungen werden seit Jahren Heulagen, eventuell auch Grassilagen in der Pferdefütterung eingesetzt. Dazu kommt, dass Grassilagen und Heulagen eine sehr gute Schmackhaftigkeit aufweisen, insbesondere bei Pferden mit einem schlechten Appetit ist dies ein entscheidender Vorteil.
Bei der Herstellung von Silagen (zum Beispiel Gras- oder Maissilagen) kommt es unter Luftabschluss optimalerweise durch Milchsäurebakterien zu einem Abbau der in den Gräsern enthaltenen Zucker, wobei bei einem ungestörten Silierverlauf überwiegend Milchsäure entsteht. Die im Verlauf der Silierung gebildete Milch- und zum Teil auch Essigsäure führen zu einem konservierenden pH-Wert-Abfall (Zielwert pH-Wert < 5) im Siliergut, was zur Lagerfähigkeit beiträgt.
Was zählt als Heulage?
Grassilagen besitzen einen Trocknungsgrad von weniger als 60 %, wohingegen Heulagen einen Trocknungsgrad von mehr als 65 % aufweisen, vielfach werden aber auch weit höhere Trockensubstanzgehalte in Heulagen für Pferde beobachtet.
Aufgrund der zum Teil sehr hohen Trockensubstanzgehalte in den Heulagen findet der oben beschriebene Abbau von Zuckern zu Milchsäure nur noch sehr unzureichend statt, sodass Heulagen häufig keine nennenswerte Silierung mit pH-Wert-Veränderungen durchlaufen.
Viele Pferdebesitzer haben Vorbehalte gegenüber der Fütterung von Grassilagen oder Heulagen beim Pferd. Diese werden mit zahlreichen Mythen von «Fütterungsinfluenzern» genährt, dass zum Beispiel die Fütterung von Heulage zu einer Übersäuerung im Darm führe.
Qualitätsmängel im Heu
Die klimatischen Bedingungen für die Produktion von einwandfreiem Heu aus getrockneten Wiesengräsern, Kräutern und um Teil Leguminosen wie Klee oder Luzerne sind häufig unzureichend. Die Folgen sind erhebliche Qualitätsmängel im Heu, die vor allen Dingen durch einen überhöhten Bakterien- und Schimmelpilzbesatz gekennzeichnet sind. Diese vielfach als muffig oder staubig beschriebenen Heuqualitäten belasten als Staub die Atemwege. Daher überrascht es nicht, dass es bei sensorisch auffälligen Heuqualitäten offensichtlich zu einer Häufung von Atemwegserkrankungen bei Pferden kommt.
Optimale Grassilagen zeigen in der Regel geringere Keimbelastungen, da sich durch die Konservierung durch Milch- und Essigsäure Schimmelpilze nicht oder nur geringfügig in Grassilagen und zum Teil in Heulagen vermehren können.
Das feuchte Material der Grassilagen beziehungsweise Heulagen trägt zudem zu einem Binden feiner Partikel und Mikroorganismen bei, sodass diese im Gegensatz zum Heu nicht eingeatmet werden können. Dies ist ein klarer Vorteil bei Pferden mit chronischen Atemwegserkrankungen.
Aufgrund des Schnittzeitpunkts und des durch die Silierung bedingten Nährstoffaufschlusses sind die Grassilagen in der Regel energie- und proteinreicher. Zudem ist die Verdaulichkeit der Nährstoffe aufgrund des vielfach früheren Schnittzeitpunkts höher, sodass bei dünnen Pferden oder bei Pferden mit einer hohen Leistung Grassilagen bevorzugt aufgrund des höheren Energiegehalts und der besseren Verdaulichkeit einzusetzen sind. Bei Heulagen können allerdings aufgrund des zum Teil sehr späten Schnittzeitpunkts und der teils ausbleibenden Silierung in der Regel keine höheren Energie- und Proteingehalte im Vergleich zu durchschnittlichen Heuqualitäten gefunden werden.
Botulismus als Risiko
In den vergangenen Jahren gab es in der Schweiz einige Fälle, im denen Pferde an Botulismus erkrankt sind. Diese wurden fast ausschliesslich mit der Fütterung von Grassilagen beziehungsweise Heulagen in Verbindung gebracht. Beim Botulismus handelt es sich um eine in der Regel tödlich verlaufende Vergiftung durch das von Clostridium botulinum (oder anderen Clostridien spp.) gebildete Botulinustoxin. Dieses Toxin wird unter Luftabschluss gebildet. Clostridien profitieren somit von der Verdichtung des Siliergutes und der raschen Verpackung in luftdichte Folien.
In das Siliergut gelangen Clostridien vor allem über Erde oder über tote Tiere. Ein besonderes Risiko geht von Flächen aus, die mit Einstreu aus der Geflügelhaltung oder mit Resten aus Biogasanlagen gedüngt worden sind. Die Gefahr einer Kontamination des Silierguts mit Clostridien ist dann über den Eintrag an Erde, die beim zu tiefen Schneiden des Grases eingebracht wird, möglich. Um das Botulismusrisiko deutlich eindämmen zu können, ist es wichtig, dass die genutzten Flächen nicht mit Einstreu aus der Geflügelhaltung oder mit Resten aus der Biogasanlage gedüngt werden. Zudem sollte das Schnittgut mehrere Zentimeter oberhalb der Grasnarbe geschnitten werden, um einen Erdeintrag zu vermeiden. Generell muss aber betont werden, dass auch Botulismusfälle über die Aufnahme von Heu möglich sind, da insbesondere in den Hochdruckballen ebenfalls Nischen mit einem kompletten Luftabschluss geschaffen werden, in denen Clostridien überleben können.
Öffnen der Folie ist kritisch
Die Entstehung von Verdauungsstörungen bei der Fütterung von Grassilagen und Heulagen wird aufgrund eventuell ablaufender Nachgärungen nach dem Öffnen der Folie begünstigt. Durch den Zutritt von Luftsauerstoff wird das mikrobielle Wachstum, insbesondere von Hefen, angeregt, wobei häufig eine fühlbare Erwärmung des Futters auftritt. Durch die Nachgärung des Futters können Fehlgärungen im Magen-Darm-Trakt von Pferden hervorgerufen werden, die insbesondere mit Koliken einhergehen können.
Das Öffnen der Folie ist eine Schwachstelle und zwingt danach zu einem raschen Verbrauch des Futters. Insbesondere bei warmen Aussentemperaturen sollte das Futter innerhalb von 24 Stunden nach dem Öffnen der Folie gefüttert werden.
Im Winter bleibt das Futter häufig mehrere Tage nach dem Öffnen der Folie haltbar. Erwärmt sich das Futter durch eine erhöhte mikrobielle Vermehrung oder kommt es zu einem deutlichen Geruch nach Alkohol (erhöhte Aktivität von Hefen), dann sollte das Futter nicht mehr gefüttert werden.
Mythos Übersäuerung
In aktuellen Untersuchungen konnte bei Pferden, die mit Grassilage (Trockensubstanzgehalt 36 %) oder Heulage (Trockensubstanzgehalt 65 %) gefüttert wurden, keine nachteilige Beeinflussung des Magen-Darm-Trakt im Vergleich zur Heufütterung gezeigt werden.
Sowohl für die pH-Werte (Mass für den sauren oder basischen Charakter) als auch für die Bildung von energiereichen Produkten, den sogenannten kurzkettigen Fettsäuren wie zum Beispiel Essigsäure, im Dickdarm konnten keine Unterschiede zwischen der Fütterung von Grassilage, Heulage und Heu bei Pferden beobachtet werden.
Neuere Untersuchungen belegen zudem, dass die Silagefütterung (kombinierte Gras- und Maissilagefütterung) das Risiko für das Entstehen von stressbedingten Magengeschwüren beim Fohlen während der Absetzphase im Vergleich zur traditionellen Heufütterung reduzieren kann.
Freies Kotwasser
Mit der Verwendung von Grassilagen und Heulagen wird in der Praxis das Absetzen von breiigem Kot oder das Absetzen von nicht gebundenem Wasser neben normal geformtem Kot (= freies Kotwasser) vielfach in Verbindung gebracht. Obwohl dieses Problem auch bei Heufütterung auftritt, so ist augenscheinlich eine Häufung bei der Fütterung von Grassilagen beziehungsweise Heulagen zu beobachten.
Aus den bislang publizierten Untersuchungen kann weder eine Dysbiose noch eine Veränderung der Fermentationsvorgänge im Dickdarm bei Pferden mit freiem Kotwasser durch die Fütterung von Grassilage oder Heulage festgestellt werden. Denkbar ist eine geringere Wasserbindung durch einen höheren Blattanteil in den Grassilagen oder Heulagen im Vergleich zum Heu. Diskutiert werden in diesem Zusammenhang eine unterschiedliche Zusammensetzung der Strukturkohlenhydrate aufgrund der erhöhten Blattmasse oder aber auch eventuell eine unterschiedliche Zerkleinerung der Faserpartikel entlang des gesamten Verdauungstraktes, die eine Veränderung der Wasserbindung zur Folge haben könnte, hierzu fehlen aber systematische Untersuchungen. Sollten Pferde bei der Fütterung von Grassilagen oder Heulage, aber auch von Heu Kotwasser entwickeln, so sollte das Futter in Bezug auf einen erhöhten Grad an Verholzung durch das sehr späte Einwerben des Futters als auch auf das Vorliegen von unerwünschten Bakterien, Pilzen und Hefen überprüft werden.
Häufiger Karies?
Die Grassilage- beziehungsweise Heulagefütterung wird mit einer erhöhten Inzidenz an dentaler Karies bei Pferden in Verbindung gebracht. Unklar bleibt, inwieweit ein gleichzeitig hoher Anteil an Getreide in der Ration in Kombination mit einer sehr geringen Zufuhr an Grundfutter zu einem erhöhten Anteil an Karies führt, da dies in den bislang durchgeführten retrospektiven Untersuchungen nicht differenziert werden konnte. Zu diesem Sachverhalt besteht erheblicher Klärungsbedarf, es sei aber nochmals darauf hingewiesen, dass zumindest Heulagen ähnliche pH-Werte wie Heu aufweisen.