Gesunde Tiere sind die Grundvoraussetzung für eine wirtschaftliche Produktion. Die tierärztliche Bestandsbetreuung ist eine Methode, die Gesundheit, das Tierwohl und die Produktion respektive die Leistung der Herde zu optimieren. Durch die regelmässigen Besuche werden Probleme früher erkannt, und es sind weniger intensive Behandlungen notwendig. Tendenziell sinkt auch der Medikamenteneinsatz. Ein weiterer positiver Nebeneffekt ist, dass der Landwirt Hilfe bei der Aufzeichnung der Gesundheitsdaten hat.
Zielsetzung ist Individuell
Die Bestandsbetreuer sehen sich als Ergänzung zu den agronomischen Fachpersonen, welche primär auf die Produktion fokussiert sind. Eine gute Zusammenarbeit zwischen beiden Gruppen ist wichtig und verbessert das Endergebnis. Die Ziele der Bestandsbetreuung besprechen der Landwirt und der Tierarzt vorgängig. «Die Zielsetzung ist sehr betriebsindividuell», so Michèle Bodmer. «Sie hängt sowohl vom Leistungsniveau der Kuh respektive der Herde ab als auch von den Möglichkeiten und den Ambitionen des Betriebsleiters.»
Bei der Bestandsbetreuung werden mehrere Parameter gemessen und regelmässig analysiert. Kennzahlen sind zum Beispiel die Zwischenkalbezeit und die Serviceperiode. Sie geben Hinweise über die Fruchtbarkeit der Tiere. Kennzahlen gibt es auch für Stoffwechselerkrankungen und die Eutergesundheit. Auch diese werden bei der Betreuung berücksichtigt.
«An der Bestandsbetreuung positiv erachten die Landwirte die regelmässigen, genau planbaren Besuche», sagt Bodmer. «Die Landwirte können sich somit im 14-Tage-Rhythmus mit Tierärzten über das Management und Probleme austauschen.» Ebenfalls sind viele Landwirte froh, dass ihnen bei der Datenerfassung geholfen wird.
Landwirte, die sich für die Bestandsbetreuung interessieren, schrecken im ersten Moment oft der Zeitaufwand und die Kosten ab. Eine Auswertung zur Rentabilität unter Schweizer Verhältnissen gibt es nicht. «Wir haben aber die Rückmeldung von vielen Bauern, dass die Kostenrechnung im Endeffekt aufgeht», fügt Bodmer an. Berechnet wird im Normalfall eine Pauschalbetrag pro Kuh und Jahr. Medikamente bezahlt der Besitzer separat. Jedoch haben nicht alle Bestandstierärzte das gleiche System zu Kostenberechnung.
Tierarzt als Berater
Nicht jeder Grossviehtierarzt bietet die Bestandsbetreuung an. Bodmer rät: «Suchen Sie das Gespräch mit Ihrem Tierarzt. Bietet dieser die Betreuung nicht an, ist es wichtig, ihn über Ihre Pläne zu informieren und zum Beispiel mit dem Rindergesundheitsdienst Kontakt aufzunehmen. Nur wenn Privattierarzt und Bestandsbetreuer an einem Strang ziehen, kann das Konzept erfolgreich funktionieren.» Die Universität Bern betreut 44 Betriebe und arbeitet eng mit den Betriebstierärzten zusammen. Ein Bestandsbetreuer muss sich für die beratende Funktion interessieren und proaktiv sein. «Das liegt nicht jedem Tierarzt», so Bodmer. «Ausserdem bringen die Beratung und die Prävention nicht den schnellen Erfolg – es braucht Durchhaltewillen.»
Zeit, die sich lohnt
Nebst den Kosten ist für viele Landwirte der Faktor Zeit ein Thema. Der Besuch dauert je nach Betriebsgrösse zwischen einer halben Stunde und zirka zwei Stunden. Standardmässig erfolgen die Besuche im 14-Tage-Rhythmus. Das Intervall kann aber vom Landwirt bestimmt werden. Zum Beispiel entscheiden sich viele Vollweide-, saisonal abkalbende und Mutterkuhbetriebe für ein wöchentliches Intervall in der Besamungssaison. Sobald alle Kühe tragend sind, werden nur noch sporadisch Besuche durchgeführt.
Obwohl sich derzeit hauptsächlich Milchviehbetriebe für das System interessieren, ist es auch auf Mutterkuhbetriebe oder Aufzuchtbetriebe adaptierbar. «Für Mutterkuhhalter kann es durchaus sinnvoll sein, den genauen Abkalbezeitpunkt zu kennen», so Bodmer. «Sie können auf diesem Weg das Management optimieren und erfolgreicher wirtschaften.» Allgemein ist die Betreuung für jede Betriebsgrösse geeignet. «Je grösser der Betrieb, umso aussagekräftiger sind die Datenauswertungen, und Verbesserungen können gezielter angegangen werden», so Bodmer.
Eine Studie über wirtschaftliche Vorteile der Bestandsbetreuung für Schweizer Betriebe gibt es nicht. Eine ausländische Untersuchung von 2014 zeigte ökonomische Vorteile. Wichtig ist aber, dass Tierarzt und Betriebsleiter harmonieren. Nur dann kann es funktionieren und zum Erfolg führen. Auch die Persönlichkeit des Betriebsleiters ist matchentscheidend. «Er muss offen sein für Änderungen und Anpassungen», sagt Bodmer. «Die Zusammenarbeit mit motivierten Betriebsleitern ist Erfolg versprechend und zielführend.»
Was gehört Dazu? - Bestandsbetreuung: Ein Leistungsüberblick Die Leistungen können je nach Bestandstierarzt variieren. Die die Vetsuisse-Fakultät der Universität Bern bietet folgende Leistungen an: Datenerfassung, Datenabgleich und jährliche Datenauswertung mittels spezieller Software (DSA) sowie Einlesen der Daten der Milchleistungsprüfung, gynäkologische Untersuchungen, Überprüfung der Eutergesundheit, Analyse der Milchinhaltsstoffe, beratende Funktion im Bereich Fütterung und langfristige Energieversorgung (BCS), auf einigen Betrieben beratende Funktion im Bereich Klauenpflege, Enthornen, Schulung der Landwirte beim Beobachten der Tiere.